Mühlen galten unseren Vorfahren als etwa Magisches. In vielen Märchen findet man das Motiv der verwunschenen Mühle. Die Müller arbeiteten mit Wasser oder Wind, beherrschten also quasi die Elemente. Diese Kunst war den Einheimischen suspekt und daher wollte man eine Mühle nicht direkt im Dorf haben. Das Gleiche galt für den Schmied, der sich das Feuer zu Diensten machte und das Metall formen konnte – und im Wendland auch für die Pfarrer, denen man zutraute, durch ihre Gebete etwas bewirken zu können. Hier sind daher viele Kirchen und Kapellen außerhalb der Dörfer gelegen.
Die alte Sage vom ganz in der Nähe befindlichen Zwergenstein bringt die Verbindung zwischen Mühlen und Magie gut zum Ausdruck:
Eine am Schnegaer Mühlenbach gelegene Wassermühle wurde auch von den zu der Zeit in der Gegend wohnenden Zwergen genutzt, die dort nachts heimlich ihr Korn mahlten. Eines Tages hatten sie sich verspätet und waren noch beschäftigt, als schon die ersten Bauern mit ihren Getreidesäcken vor der Tür standen. Die war aber abgeschlossen, denn die Zwerge wollten sich nicht überraschen lassen. Der Müller und seine Familie lagen in einem ungewöhnlich tiefen Schlaf und hörten nicht, als nach ihnen gerufen wurde. Die neugierigen Bauern blickten durch das Schlüsselloch und sahen, was in der Mühle vor sich ging. Sie gaben erstaunte Rufe von sich. Daraufhin rafften die Zwerge ihre Säcke und Körbe mit Mehl und Getreide und flohen durch die Hintertür. Sie liefen am Bach entlang, bis sie zu einer Höhle im Berg kamen, in der sie verschwanden. Die Bauern hatten indes die Verfolgung aufgegeben und wußten nicht, wohin die Zwerge gelaufen waren.
Aber eines Tages entdeckten zwei Kinder, die sich beim Spielen am Bach verspätet hatten, in der Dämmerung die Zwerge bei der Höhle und erzählten zu Hause davon. Da kam einer der Bauern auf die Idee, sich doch einen dieser kleinen Kerle zu schnappen und mit nach Hause zu bringen – für seinen Sohn zum Spielen. Gesagt, getan, er versteckte sich kurz vor dem Abend in der Nähe der Höhle hinter einem großen Stein, und als die Zwerge bei Einbruch der Dunkelheit arglos aus ihrer Höhle kamen, griff er zu und fing sich einen und rannte mit diesem zurück in das Dorf, ohne auf das Geschrei und Gestrampel des Zwerges zu achten. Da es aber inzwischen schon spät war und sein Sohn bereits schlief, ließ er den Zwerg gefesselt im Stall zurück und dachte, dass der sich bis zum Morgen vielleicht abgeregt haben würde. Als er am nächsten Morgen jedoch den Zwerg ins Haus holen wollte, fand er nur die zerrissenen Reste des Strickes vor. Da dachte er sich, dass es besser gewesen wäre, wenn er zwei Zwerge geholt hätte, dann hätten sie einander Gesellschaft leisten können und wären vielleicht lieber bei ihm geblieben. Daher rief er seinen Knecht und ging mit ihm ein paar Tage später wieder zu der Höhle im Berg, doch diesmal sahen sie keinen Zwerg herauskommen. Da band der Bauer seinem Knecht einen Strick um den Bauch und sagte ihm, er solle in die Höhle hinuntergehen und sobald er die Zwerge sehen würde, sich einen rechts, einen links unter den Arm klemmen und am Strick rucken, dann würde der Bauer ihn mitsamt den beiden Zwergen aus der Höhle herausziehen. Gesagt, getan; der Knecht ließ sich in die Höhle hinab, und der Bauer wartete auf das verabredete Zeichen. Das ließ jedoch auf sich warten, und dem Bauer wurde langsam ungemütlich. Endlich spürte er einen Ruck an dem Seil und zog aus aller Kraft, aber da gab das Seil plötzlich nach und der Bauer fiel hintenüber – das Seil war abgerissen! Da rannte der Bauer ins Dorf, so schnell ihn seine Beine trugen, und holte die anderen Bauern zu Hilfe, um seinen Knecht aus der Höhle zu holen.
Als sie jedoch an der Stelle ankamen, war die Höhle verschlossen mit dem großen Stein, hinter dem er sich zuvor versteckt hatte, und die Bauern waren nicht in der Lage, diesen dort weg zu schieben. Der Knecht ist nie wieder gesehen worden…
Nachzulesen in dem wunderschön bebilderten Buch von Susanne Laschütza.
Dass Müller in Märchen oft als böse dargestellt wurden, hat auch einen realen Hintergrund – als Pächter mußten sie oft an den Mühlenbesitzer, den Landesherren, eine sehr hohe Pacht zahlen. Um dennoch mit ihren Familien überleben zu können betrogen sie die Kunden häufig, indem sie einen Teil des von ihnen gemahlenen Getreides für sich behielten und, damit es nicht auffiel, manchmal das gute Mehl mit Sand oder feinem Sägemehlstaub streckten.
Das Motiv des Müllers auf Wanderschaft im Volkslied entstammt ebenfalls diesem Hintergrund: Wenn ein Müller feststellte, dass er wegen der zu hohen Pacht nicht genug Geld einnahm , mußte er diese Mühle aufgeben und versuchen, woanders eine zu finden, wo die Bedingungen hoffentlich etwas besser für ihn waren.